Positionspapier von Falck
Steht die Hamburger Notfallversorgung vor dem Kollaps?
Die Herausforderungen der lokalen Notfallversorgung und wie man sie meistern kann.
Ausgangslage
„Eine gut funktionierende Notfall- und Akutversorgung ist essenzieller Bestandteil der Gesundheitsversorgung und damit auch der Daseinsvorsorge einer jeden Gesellschaft.“
betonte die Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung Mitte Februar in ihrer vierten Empfehlung zur Reform der Notfall- und Akutversorgung in Deutschland.
Doch dieser essenzielle Bestandteil der Gesundheitsversorgung kann seit geraumer Zeit, besonders in den Großstädten kaum noch garantiert werden. Die Infrastruktur der ambulanten Versorgung ist in vielen Städten Deutschlands bis auf Äußerste ausgelastet. Akuter Fachkräftemangel, fehlender Nachwuchs und eine nicht ausreichende Anzahl an Rettungswagen gefährden die flächendeckende und verlässliche Notfallversorgung. Die Bundesagentur für Arbeit stuft Rettungsberufe als Engpassberufe ein, d.h. der Bedarf an Fachkräften im Rettungsdienst ist weiterhin hoch. 2022 gab es allein in Hamburg 300.956 Rettungsdiensteinsätze, über 800 am Tag und die Anzahl an Einsätzen steigt jährlich. Der Rettungsdienst der Feuerwehr in Hamburg ist am absoluten Limit und das schon seit Jahren mit weitreichenden Folgen für die ambulante Versorgungssicherheit in Hamburg, denn in akuten Notfällen zählt jede Sekunde.
Eine Kleine Anfrage der CDU im Hamburger Senat nach der Hilfszeit im Hamburger Rettungsdienst ergab, dass die Erfüllungsquote der Hilfszeit von 8 Minuten in Hamburg im öffentlichen Rettungsdienst zwischen dem 3. Quartal 2019 und 2. Quartal 2020 von 57% auf 52% sank. 2022 lag die Erfüllungsquote im letzten Quartal bei 53%. Im Jahr 2014 hatte sich die Feuerwehr Hamburg verpflichtet den Schutzzielen der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren (AGBF) zu folgen, der einen Zielerreichungsgrad von 95% vorsieht. Davon ist man in Hamburg noch weit entfernt. Auch verglichen mit anderen Großstädten, z. B. Köln, wo die Hilfsfrist von 8 Minuten in 87% der Einsätze eingehalten wurde, ist die Erfüllungsquote in Hamburg sehr gering. Deshalb hat die Feuerwehr in der Vergangenheit angesichts steigender Einsatzzahlen weitere Dienstleister noch stärker in den öffentlichen Rettungsdienst mit eingebunden. Eine Verstärkung durch zusätzliche Einsatzwagen, wie von Innensenator Andy Grote angekündigt, ist jedoch zwingend nötig.
Einer dieser Dienstleister ist die gemeinnützige Falck Notfallrettung und Katastrophenschutz gGmbH. Diese besetzt im Auftrag der Feuerwehr Hamburg seit 2018 mehrere Rettungswagen in Hamburg. Derzeit sind es neun Rettungswagen an sechs Wachen.
Falck etablierte sich in den letzten Jahren nachweislich als zuverlässigster Partner im Hamburger Rettungsdienst. Die Ausfallquoten der Falck-RTW sind um ein Vielfaches geringer als bei anderen Dienstleistern. Alle Akteure arbeiten partnerschaftlich und auf Augenhöhe miteinander, um den Rettungsdienst für die Hamburger Bürgerinnen und Bürger optimal zu leisten.
Herausforderung
Innensenator Andy Grote (SPD) wollte den Rettungsdienst unlängst eigentlich durch zwölf zusätzliche Rettungswagen aufstocken – aber er forderte ausschließlich die Hilfsorganisationen zur Angebotsabgabe auf. Diese waren aber nicht in der Lage, alle Fahrzeuge allein zu betreiben.
Am 24.02.2023 schrieb die Zentrale Vergabestelle der Behörde für Inneres und Sport (ZVST) im Namen der Polizei Hamburg die „Durchführung der Notfallrettung im öffentlichen Rettungsdienst in Form von neun Rettungswagen (RTW) (ÖA 20232130002)“ in sechs Einsatzbereichen in Hamburg öffentlich aus. Hierbei handelt es sich um die derzeit von Falck betriebenen Rettungswachen und Rettungswagen. Die Ausschreibung richtet sich ausschließlich an gemeinnützige Organisationen. Es gilt nachzuweisen, „dass es sich bei der oder dem Bietenden um eine gemeinnützige Organisation oder Vereinigung im Sinne von § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB handelt“. Ebenfalls müssen diese gemeinnützigen Organisationen, zu denen Falck gehört, eine sogenannte Zustimmung zur Mitwirkung im Katastrophenschutz nachweisen, die die Behörde selbst erteilen muss.
Bereits seit 2019 verfolgt die Hamburger Innenbehörde das Ziel „den Rettungsdienst unter der Führung der Feuerwehr zu vereinheitlichen, der private Rettungsdienst soll auf Dauer verschwinden“ (Bericht der Welt, Juni 2019). Im Rahmen dieser Bestrebung wurde auch das Hamburgische Rettungsdienstgesetz überarbeitet – mit gravierenden Auswirkungen.
Wie aus einer Senatsanfrage der CDU hervorgeht und die Hamburger Morgenpost Anfang März berichtete, hat der Malteser Hilfsdienst allein im Januar und Februar 2023 seine Rettungswagen 160 Mal bei der Leitstelle der Feuerwehr abgemeldet. Wenn die Rettungswagen ab Ende des Jahres nur noch von den Hilfsorganisationen zur Verfügung gestellt werden, wird befürchtet, dass die ambulante Infrastruktur in Hamburg vor dem Kollaps steht.
Da die Anzahl an Rettungseinsätzen in den letzten Jahren konstant gestiegen ist, gefährdet eine Limitierung der Rettungswagenanbieter die Qualität der Versorgung massiv. Es droht in den in den nächsten Jahren das Szenario, dass für einige Einsätze gar kein Rettungsfahrzeug mehr zur Verfügung stehen wird.
Lösungsansatz
Falck hat in den letzten Jahrzehnten seine Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt und die Aufträge für die Besetzung der Rettungswagen zuverlässig und mit hoher Qualität erfüllt. Dadurch ist Falck zu einem unverzichtbaren Bestandteil des Hamburger Rettungsdienstes geworden.
Falck hat in Hamburg und an anderen Standorten in Deutschland mehrfach seine Leistungsfähigkeit im Katastrophenschutz nachgewiesen. In Sachsen und Nordrhein-Westfalen ist Falck mit eigenen Einheiten in den Katastrophenschutz eingebunden. Auch in Hamburg stehen die Katastrophenschutz-Einheiten von Falck bereit. Die Behörde verweigert Falck jedoch bisher die Zustimmung zur Mitwirkung im Katastrophenschutz, trotz mehrfach nachgewiesener Leistungsfähigkeit. Der Wortlaut der Behörde für den Grund der Ablehnung im jüngsten Ablehnungsschreiben vom 10. März 2023 ist: „Weil es aus haushälterischer Sicht im Rahmen bestehender Haushaltsmittel abgelehnt werden müsse“. Diese Entscheidung ist nicht ansatzweise nachzuvollziehen. Falck hat überhaupt keine Förderung aus Haushaltsmitteln beantragt. Zugleich würde Falck dezidiert auf Haushaltsmittel verzichten, wenn dies für eine Zustimmung zur Mitwirkung im Hamburger Katastrophenschutz erforderlich sein sollte. Falck finanziert seine Katastrophenschutz-Einheiten selbst, um seinen Beitrag für den Katastrophenschutz an den jeweiligen Standorten zu leisten.
Die Rahmenbedingungen der Ausschreibung und der bisherige Ausschluss von Falck stehen im Widerspruch zu den ausdrücklichen Empfehlungen von Feuerwehr, Hilfsorganisationen sowie Fachleuten. Die Folgen der momentanen Ausschreibung sind für Experten schon jetzt abzusehen: Das Rettungsdienstsystem in Hamburg würde sich massiv verschlechtern, Hilfszeiten noch weniger eingehalten werden und die Menschen in Hamburg nicht rechtzeitig gerettet. Zudem würden die Kosten für alle Akteure im System enorm steigen.
Die Vergabe einer so wichtigen Leistung wie dem Rettungsdienst sollte ausschließlich anhand objektiver Kriterien wie Qualität und Effektivität der Leistung getroffen werden. Es ist nicht im Sinne der Bürgerinnen und Bürger einzelne Anbieter aufgrund einer bislang nicht erteilten Zustimmung zur Mitwirkung im Katastrophenschutz diskriminieren. Der Fokus sollte immer auf der Qualität der Leistung liegen, unabhängig davon, wer den Rettungswagen betreibt.
Wie kann die Hamburger Innenbehörde dies erreichen?
Sie kann der Falck Notfallrettung und Katastrophenschutz gGmbH die Zustimmung zur Mitwirkung im Katastrophenschutz erteilen. Oder sie öffnet die Ausschreibung der neun Rettungswagen für alle Dienstleister. Beide Lösungen führen zu einem gemeinsamen Ziel: der schnellen, kompetenten und zuverlässigen Rettung von Menschenleben in Hamburg.